Max Michelsohn kommt am 7. Februar 1862 in Berlin zur Welt.1 Er wird Kaufmann und bekommt mit seiner Ehefrau Marie geb. Reichenberger mindestens zwei Kinder, Curt und Erna.2
1901 gründet er mit seinem Geschäftspartner, Herrn Ascher, die Spremberger Tuchfabrikfirma Michelsohn & Ascher. Die Firma ist erfolgreich. Mitten im Ersten Welkrieg wird die Fabrik umfassend ausgebaut.3
Ende der 1920er Jahre findet Max in Siegfried Kraus einen neuen Geschäftspartner, der auch vor Ort in Spremberg wohnt, während Max in Berlin lebt.
Mit Beginn des NS-Regime 1933 wird Familie Michelsohn vor große Schwierigkeiten gestellt. Max Sohn Curt, der in Cottbus lebt, flieht im selben Jahr noch nach England.4 Seine Tochter Erna stirbt 1935 in ihrer Wohnung mit nur 38 Jahren. Möglicherweise hat sie sich das Leben genommen.5 1937 stirbt Max Geschäftspartner Siegfried an einem Nervenzusammenbruch aufgrund des Leids, das er im NS-Regime ertragen muss. Die Firma Michelsohn & Ascher wird daraufhin neu aufgestellt: neue Inhaber neben Max werden Siegfrieds Witwe Ilse Kraus (30%), sein Sohn Werner (15%) und der Direktor der Fabrik, Nathan Bernfeld (20%), die alle in Spremberg leben.6
Am 25. Januar gelingt auch Max und seiner Frau die Flucht nach England. Ihr letzter Wohnort ist die Brandenburgischestr. 33 in Berlin. Direkt danach wird er zur Judenvermögensabgabe gezwungen und seine Konten und Depots werden gesperrt.7
Direkt nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938, wird seinen Geschäftspartner Werner Kraus und Nathan Bernfeld der Zutritt zur Fabrik verwehrt.8 Der NSDAP Kreisleiter Sprembergs setzt einen Herrn Rudolf Bär als Treuhänder für die Firma ein. Schon am 24. November 1938 legt er einen Vertrag vor, um die Firma an den Spremberger Verein zur Unterhaltung der Textil-Lehrwerkstatt e.V. zu verkaufen. Geplant ist, die Tuchfabrik in eine Lehrwerkstatt umzuwandeln und die 400 Textilarbeiter, die dort beschäftigt sind, in den anderen Tuchfabriken Sprembergs unterzubringen. Auf diese Weise soll auch die große Konkurrenz, die die Firma in Spremberg für die verbleibenden Tuchfabriken darstellt, ausgeschaltet werden. Deshalb wurde ein Verkauf an den Unternehmer und Tuchmacher Ludwig Adolph Sinapius gegeben, der die Fabrik für 470.000 Reichsmark kaufen wollte, ohne Begründung abgewiesen.
Der neue Kaufpreis wird auf 100.000 Reichsmark festgelegt, wobei das Geld nicht an die ursprünglichen Besitzer der Firma geht, sondern nach einem neuen Erlass zum „Einsatz jüdischen Vermögens“ auf ein Devisenkonto geht.9
Am 9. Dezember 1938 gibt der Landrat des Kreises Spremberg sein Votum für den Verkauf und die Umwandlung der Fabrik zur Lehrwerkstatt an den Regierungspräsidenten in Frankfurt/Oder:
"Die Übernahme der Tuchfabrik durch den Verein zur Unterhaltung der Textillehrwerkstatt liegt durchaus im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse. Durch den Kauf wird das letzte jüdische Unternehmen der Tuchfabrikation in Spremberg in arische Hände überführt.“10
Kurz darauf meldet sich der Bürgermeister Sprembergs beim Landrat, weil ihm die Nutzungsveränderungen Sorgen bereiten:
"Angesichts der nicht unerheblichen nachteiligen Auswirkungen, die sich für die Stadt ergeben, wenn ein derart großes Unternehmen seinen Betrieb einstellt und an seiner Stelle eine Ausbildungsstätte für Textilfacharbeiter eingerichtet wird, fühle ich mich als verantwortlicher Leiter der Stadt Spremberg verpflichtet, die Aufsichtsbehörde auf meine Bedenken und die Folgen, die sich durch die beabsichtigte Maßnahme für die Stadtverwaltung ergeben, hinzuweisen.
Die Firma Michelsohn & Ascher ist eine der größten Steuerzahler der Stadt. [... Sie] hat auch in erheblichem Umfange als Abnehmer in Beziehungen zu den Städtischen Werken gestanden. [...] Es ist also zu erwarten, dass durch diese Umwandlung einer Fabrik die Finanzen der Stadt alljährlich um erhebliche Beträge geschmälert werden, die sich zumindest auf 50-60.000 RM jährlich belaufen dürften.
[...] Diese Entwicklung scheint mir umso bedenklicher, als mit der Firma Michelsohn & Ascher nunmehr innerhalb von 10 Jahren die siebente Tuchfabrik in Spremberg ihren Betrieb schließt. (F.A. Richard, Fischer-Schnabl, Otto Greischel, Bautzener Tuchfabrik, Ludwig Heimberger, C.A. Krüger).“[^3]
Seine Einwände ändern nichts. 1941 aber kritisiert plötzlich das Finanzamt Spremberg den Verkauf des Firmengrundstücks erheblich, da der Marktpreis nicht annähernd berücksichtigt worden sei und der Bürgermeister unterstreicht seine Ansicht ebenfalls noch einmal beim Landrat. Die Verluste für die Stadt seit der Umwandlung des Betriebs haben sich bewahrheitet. Alls, was sie damit aber bewirken möchte, ist nicht etwa eine Entschädigung der ursprünglichen Besitzer, sondern eine Ausgleichszahlung der Käufer ans Deutsche Reich.11
Max Michelsohn stirbt am 23. September 1941 in London und wird auf dem jüdischen Friedhof in Willisden beigesetzt.12 Zwei Monate nach seinem Tod wird ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. So kann sein verbliebenes Vermögen ans Deutsche Reich übergehen.13
Nach dem Krieg versucht sein Sohn Curt, der dann in der Schweiz lebt, eine Rückerstattung für den enteigneten Besitz zu erhalten. Das Verfahren zieht sich bis in die 1980er Jahre und scheint erfolglos gewesen zu sein.14
Bis heute heißt im Spremberger Volksmund ein kleiner Weg, eine ehemalige Grubenschlucht, die einst an der Tuchfabrik von Max Michelsohn abging, “Michelsohnschlucht“.
07.02.1862 | Geburt – in Berlin |
06.10.1894 | Geburt – von Sohn Curt in Berlin |
12.08.1896 | Geburt – von Tochter Erna in Rottach am Tegernsee |
1901 | Firmengründung der Tuchfabrik Michelsohn & Ascher in Spremberg |
25.03.1935 | Todestag – der Tochter in Berlin |
24.11.1938 | Enteignung der Tuchfabrik Michelsohn & Ascher in Spremberg |
25.01.1939 | Flucht nach England, Sperrung seiner Konten, Judenvermögensabgabe |
26.09.1941 | Todestag – in London |
Kraus, Siegfried | Geschäftspartner |
Kraus, Ilse | Geschäftspartnerin |
Kraus, Werner | Geschäftspartner |
Bernfeld, Nathan | Geschäftspartner |
Schlesische Straße | Geschäftsinhaber |
Zedlitzstraße | Gewerbestandort |
07.02.1862 | Geburt – in Berlin |
06.10.1894 | Geburt – von Sohn Curt in Berlin |
12.08.1896 | Geburt – von Tochter Erna in Rottach am Tegernsee |
1901 | Firmengründung der Tuchfabrik Michelsohn & Ascher in Spremberg |
25.03.1935 | Todestag – der Tochter in Berlin |
24.11.1938 | Enteignung der Tuchfabrik Michelsohn & Ascher in Spremberg |
25.01.1939 | Flucht nach England, Sperrung seiner Konten, Judenvermögensabgabe |
26.09.1941 | Todestag – in London |
Max Michelsohn kommt am 7. Februar 1862 in Berlin zur Welt.1 Er wird Kaufmann und bekommt mit seiner Ehefrau Marie geb. Reichenberger mindestens zwei Kinder, Curt und Erna.2
1901 gründet er mit seinem Geschäftspartner, Herrn Ascher, die Spremberger Tuchfabrikfirma Michelsohn & Ascher. Die Firma ist erfolgreich. Mitten im Ersten Welkrieg wird die Fabrik umfassend ausgebaut.3
Ende der 1920er Jahre findet Max in Siegfried Kraus einen neuen Geschäftspartner, der auch vor Ort in Spremberg wohnt, während Max in Berlin lebt.
Mit Beginn des NS-Regime 1933 wird Familie Michelsohn vor große Schwierigkeiten gestellt. Max Sohn Curt, der in Cottbus lebt, flieht im selben Jahr noch nach England.4 Seine Tochter Erna stirbt 1935 in ihrer Wohnung mit nur 38 Jahren. Möglicherweise hat sie sich das Leben genommen.5 1937 stirbt Max Geschäftspartner Siegfried an einem Nervenzusammenbruch aufgrund des Leids, das er im NS-Regime ertragen muss. Die Firma Michelsohn & Ascher wird daraufhin neu aufgestellt: neue Inhaber neben Max werden Siegfrieds Witwe Ilse Kraus (30%), sein Sohn Werner (15%) und der Direktor der Fabrik, Nathan Bernfeld (20%), die alle in Spremberg leben.6
Am 25. Januar gelingt auch Max und seiner Frau die Flucht nach England. Ihr letzter Wohnort ist die Brandenburgischestr. 33 in Berlin. Direkt danach wird er zur Judenvermögensabgabe gezwungen und seine Konten und Depots werden gesperrt.7
Direkt nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938, wird seinen Geschäftspartner Werner Kraus und Nathan Bernfeld der Zutritt zur Fabrik verwehrt.8 Der NSDAP Kreisleiter Sprembergs setzt einen Herrn Rudolf Bär als Treuhänder für die Firma ein. Schon am 24. November 1938 legt er einen Vertrag vor, um die Firma an den Spremberger Verein zur Unterhaltung der Textil-Lehrwerkstatt e.V. zu verkaufen. Geplant ist, die Tuchfabrik in eine Lehrwerkstatt umzuwandeln und die 400 Textilarbeiter, die dort beschäftigt sind, in den anderen Tuchfabriken Sprembergs unterzubringen. Auf diese Weise soll auch die große Konkurrenz, die die Firma in Spremberg für die verbleibenden Tuchfabriken darstellt, ausgeschaltet werden. Deshalb wurde ein Verkauf an den Unternehmer und Tuchmacher Ludwig Adolph Sinapius gegeben, der die Fabrik für 470.000 Reichsmark kaufen wollte, ohne Begründung abgewiesen.
Der neue Kaufpreis wird auf 100.000 Reichsmark festgelegt, wobei das Geld nicht an die ursprünglichen Besitzer der Firma geht, sondern nach einem neuen Erlass zum „Einsatz jüdischen Vermögens“ auf ein Devisenkonto geht.9
Am 9. Dezember 1938 gibt der Landrat des Kreises Spremberg sein Votum für den Verkauf und die Umwandlung der Fabrik zur Lehrwerkstatt an den Regierungspräsidenten in Frankfurt/Oder:
"Die Übernahme der Tuchfabrik durch den Verein zur Unterhaltung der Textillehrwerkstatt liegt durchaus im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse. Durch den Kauf wird das letzte jüdische Unternehmen der Tuchfabrikation in Spremberg in arische Hände überführt.“10
Kurz darauf meldet sich der Bürgermeister Sprembergs beim Landrat, weil ihm die Nutzungsveränderungen Sorgen bereiten:
"Angesichts der nicht unerheblichen nachteiligen Auswirkungen, die sich für die Stadt ergeben, wenn ein derart großes Unternehmen seinen Betrieb einstellt und an seiner Stelle eine Ausbildungsstätte für Textilfacharbeiter eingerichtet wird, fühle ich mich als verantwortlicher Leiter der Stadt Spremberg verpflichtet, die Aufsichtsbehörde auf meine Bedenken und die Folgen, die sich durch die beabsichtigte Maßnahme für die Stadtverwaltung ergeben, hinzuweisen.
Die Firma Michelsohn & Ascher ist eine der größten Steuerzahler der Stadt. [... Sie] hat auch in erheblichem Umfange als Abnehmer in Beziehungen zu den Städtischen Werken gestanden. [...] Es ist also zu erwarten, dass durch diese Umwandlung einer Fabrik die Finanzen der Stadt alljährlich um erhebliche Beträge geschmälert werden, die sich zumindest auf 50-60.000 RM jährlich belaufen dürften.
[...] Diese Entwicklung scheint mir umso bedenklicher, als mit der Firma Michelsohn & Ascher nunmehr innerhalb von 10 Jahren die siebente Tuchfabrik in Spremberg ihren Betrieb schließt. (F.A. Richard, Fischer-Schnabl, Otto Greischel, Bautzener Tuchfabrik, Ludwig Heimberger, C.A. Krüger).“[^3]
Seine Einwände ändern nichts. 1941 aber kritisiert plötzlich das Finanzamt Spremberg den Verkauf des Firmengrundstücks erheblich, da der Marktpreis nicht annähernd berücksichtigt worden sei und der Bürgermeister unterstreicht seine Ansicht ebenfalls noch einmal beim Landrat. Die Verluste für die Stadt seit der Umwandlung des Betriebs haben sich bewahrheitet. Alls, was sie damit aber bewirken möchte, ist nicht etwa eine Entschädigung der ursprünglichen Besitzer, sondern eine Ausgleichszahlung der Käufer ans Deutsche Reich.11
Max Michelsohn stirbt am 23. September 1941 in London und wird auf dem jüdischen Friedhof in Willisden beigesetzt.12 Zwei Monate nach seinem Tod wird ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. So kann sein verbliebenes Vermögen ans Deutsche Reich übergehen.13
Nach dem Krieg versucht sein Sohn Curt, der dann in der Schweiz lebt, eine Rückerstattung für den enteigneten Besitz zu erhalten. Das Verfahren zieht sich bis in die 1980er Jahre und scheint erfolglos gewesen zu sein.14
Bis heute heißt im Spremberger Volksmund ein kleiner Weg, eine ehemalige Grubenschlucht, die einst an der Tuchfabrik von Max Michelsohn abging, “Michelsohnschlucht“.
Kraus, Siegfried | Geschäftspartner |
Kraus, Ilse | Geschäftspartnerin |
Kraus, Werner | Geschäftspartner |
Bernfeld, Nathan | Geschäftspartner |
Schlesische Straße | Geschäftsinhaber |
Zedlitzstraße | Gewerbestandort |
Brandenburgisches Landeshauptarchiv:
Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de:
Sekundärliteratur:
Internetseiten: