Werner Joel (1900-1994)

Werner Fritz Herbert Joël kommt am 3. Dezember 1900 in Eschwege zur Welt.1 Sein Vater, Dr. Walter Joël, ist Jurist und als als Regierungsassessor und Finanzgerichtspräsident tätig. Vor Werners Geburt ist er vom Judentum zum Protestantismus konvertiert. Er und Werners Mutter, Elisabeth Mantius (ebenfalls evangelisch), leben später in Berlin und haben noch mindestens vier weitere Kinder, die sie alle evangelisch taufen lassen.2

In Hildesheim macht Werner 1918 Notabitur, da er noch in den Ersten Weltkrieg eingezogen werden soll. Dieser endet knapp fünf Jahre später und Werner überlebt.3

In Göttingen, Tübingen, München studiert Werner Medizin, und schließt das Studium 1925 in Berlin ab, wo er 1932 auch promoviert. Seinen Facharzt zum parktischen HNO Arzt macht er in Halberstadt, Essen und Rostock.4 Am letzten Tag des Jahres 1929 heiratet er die Kindergärtnerin Elisabeth Wendlandt in deren Heimat in Pommern.5 1933 ziehen die beiden nach Spremberg in die Kesselstraße und bekommen zwei Kinder: einen Sohn, der 1933 im Alter von zwei Monaten eine evangelische Haustaufe von Pfarrer Huhn aus Berlin erhält, und 1937 einen zweiten Sohn.6

Werner eröffnet in Spremberg eine HNO-Praxis in der Dresdener Str. 42 und wird damit der erste ambulant tätige Spezialarzt. Schnell wächst sein Patientenstamm.7

Im NS-Regime werden Werners jüdische Wurzeln als Grund herangezogen, um seine Familie zu diskriminieren. Im Juli 1934 wird ihm die Zulassung zur Kassenarztpraxis entzogen. Etwa ein Jahr lang darf er keine Patienten behandeln und die Familie ist ohne einkommen. Im Anschluss wird die Behandlung teilweise wieder möglich, was auch mit dem zunehmenden Ärztemangel im Deutschen Reich zusammenhängt. Aber auch seinen 2. Vorsitz im Spremberger Ärzteverein muss er niederlegen, sein Radioapparat wird eingezogen und ab 1938 dürfen sich keine NSDAP-Mitglieder mehr von ihm behandeln lassen. Mehrfach marschieren in diesen Jahren SS-Leute vor der Wohnung der Joëls auf.8

Am 15. April 1939 unterschreiben einige mutige Spremberger Bürger, darunter Arbeiter, Pfarrer, Lehrer und Fabrikbesitzer, eine Petition, um Werner Joël und seine Praxis in Spremberg zu halten:

Herr Joël, der seit Jahren hier ansässig ist, erfreut sich einer ungewöhnlichen Beliebtheit. Überall steht er im Rufe eines sehr tüchtigen Arztes. Auch seine Menschenfreundlichkeit wird von allen Seiten gerühmt. Viele Kassenpatienten z.B., für welche die Krankenkasse infolge Aussteuerung die Behandlungskosten nicht mehr übernehmen konnte, hat er vollständig kostenlos bis zur völligen Heilung weiterbehandelt. An den Sorgen seiner Patienten nahm er über seine ärztliche Berufspflicht hinaus weitgehenden Anteil, wie man es selten findet.“9

Kurz vor Kriegsende flüchten Werner und Elisabeth mit ihren elf und acht Jahre alten Söhnen aus Spremberg. In Spremberg kursiert seit dieser Zeit das Gerücht, dass Werner Joël derjenige gewesen sei, der die Sprengung der Brücke zur Langen Straße verhindert haben soll, was Werner aber verneinte.

Gleich nach Kriegsende erreicht sie die Nachricht, dass in Spremberg dringend Hilfe in der medizinischen Versorgung benötigt wird und sie kehren zurück. Werner ist maßgeblich am Wiederaufbau des Krankenhauses in Spremberg beteiligt und wird dort erster Chefarzt. Mit dem Pferdewagen fährt er zwei Mal wöchentlich nach Bad Muskau und Weißwasser, um auch dort Menschen medizinisch zu versorgen. 1948 spendet er Teile seines Gehalts dem Wiederaufbau der Klinik und auch sein privates Instrumentarium stellt er kostenlos zur Verfügung.10

1954 verlassen die Joëls Spremberg und die DDR, weil nun ihren beiden Söhne wegen ihrer Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde im DDR-Regime diskriminiert werden.11

Zehn Tage nach seinem 94. Geburtstag stirbt Werner in Lemgo.12

  1. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Geburtsregister 1851-1901, Werner Joel; vgl. https://www.mappingthelives.org/bio/fde94622-d951-4b14-903f-6157acf7dada (Stand 21.07.2024).
  2. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Geburtsregister 1851-1901, Werner Joel; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955, Walter Joel.
  3. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  4. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  5. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936, Joel-Wendlandt.
  6. Vgl. Archiv der Kreuzkirche, Taufbuch Spremberg Stadt 1933, Seite 212; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Geburtsregister 1851-1901, Werner Joel; vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47; vgl. https://www.mappingthelives.org/bio/fde94622-d951-4b14-903f-6157acf7dada (Stand 21.07.2024).
  7. Vgl. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47; Stadtarchiv Spremberg, Spremberger Adressbuch 1936.
  8. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  9. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  10. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47, vgl. https://krankenhaus-spremberg.de/unser-krankenhaus/geschichte (Stand 15.04.2021).
  11. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  12. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Geburtsregister 1851-1901, Werner Joel.
Dr. Werner  JoëlDr. Werner  Joël

kurz-Biografie

03.12.1900Geburt – in Eschwege
01.07.1918Notabitur in Hildesheim
Jul-Okt 1918Soldat im Ersten Weltkrieg
1919-1925Medizinstudium in Göttingen, Tübingen, München & Berlin
30.09.1929Eheschließung – mit Elisabeth Wendlandt
01.01.1930HNO-Facharztanerkennung
21.10.1930Zuzug – nach Spremberg, Eröffnung HNO Praxis
1932Promotion in Berlin
1933Geburt – von einem Sohn
Juli 1934 - Juli 1935Entziehung der Zulassung zur Kassenarztpraxis
23.05.1937Geburt – von einem Sohn
15.04.1939Petition von Sprembergern für den Erhalt der Praxis von Dr. Joël
Anfang April 1945Flucht aus Spremberg
ab Mai 1945Rückkehr nach Spremberg, medizinische Notversorgung, Wiederaufbau des Spremberger Krankenhauses, 1. Chefarzt
01.03.1954Weggang – aus Spremberg wegen Diskriminierung im DDR-Regime

Verbundene Orte

Dresdener StraßeArbeitsort
KesselstraßeWohnort
Dr. Werner  JoëlDr. Werner  Joël

kurz-Biografie

03.12.1900Geburt – in Eschwege
01.07.1918Notabitur in Hildesheim
Jul-Okt 1918Soldat im Ersten Weltkrieg
1919-1925Medizinstudium in Göttingen, Tübingen, München & Berlin
30.09.1929Eheschließung – mit Elisabeth Wendlandt
01.01.1930HNO-Facharztanerkennung
21.10.1930Zuzug – nach Spremberg, Eröffnung HNO Praxis
1932Promotion in Berlin
1933Geburt – von einem Sohn
Juli 1934 - Juli 1935Entziehung der Zulassung zur Kassenarztpraxis
23.05.1937Geburt – von einem Sohn
15.04.1939Petition von Sprembergern für den Erhalt der Praxis von Dr. Joël
Anfang April 1945Flucht aus Spremberg
ab Mai 1945Rückkehr nach Spremberg, medizinische Notversorgung, Wiederaufbau des Spremberger Krankenhauses, 1. Chefarzt
01.03.1954Weggang – aus Spremberg wegen Diskriminierung im DDR-Regime

Werner Fritz Herbert Joël kommt am 3. Dezember 1900 in Eschwege zur Welt.1 Sein Vater, Dr. Walter Joël, ist Jurist und als als Regierungsassessor und Finanzgerichtspräsident tätig. Vor Werners Geburt ist er vom Judentum zum Protestantismus konvertiert. Er und Werners Mutter, Elisabeth Mantius (ebenfalls evangelisch), leben später in Berlin und haben noch mindestens vier weitere Kinder, die sie alle evangelisch taufen lassen.2

In Hildesheim macht Werner 1918 Notabitur, da er noch in den Ersten Weltkrieg eingezogen werden soll. Dieser endet knapp fünf Jahre später und Werner überlebt.3

In Göttingen, Tübingen, München studiert Werner Medizin, und schließt das Studium 1925 in Berlin ab, wo er 1932 auch promoviert. Seinen Facharzt zum parktischen HNO Arzt macht er in Halberstadt, Essen und Rostock.4 Am letzten Tag des Jahres 1929 heiratet er die Kindergärtnerin Elisabeth Wendlandt in deren Heimat in Pommern.5 1933 ziehen die beiden nach Spremberg in die Kesselstraße und bekommen zwei Kinder: einen Sohn, der 1933 im Alter von zwei Monaten eine evangelische Haustaufe von Pfarrer Huhn aus Berlin erhält, und 1937 einen zweiten Sohn.6

Werner eröffnet in Spremberg eine HNO-Praxis in der Dresdener Str. 42 und wird damit der erste ambulant tätige Spezialarzt. Schnell wächst sein Patientenstamm.7

Im NS-Regime werden Werners jüdische Wurzeln als Grund herangezogen, um seine Familie zu diskriminieren. Im Juli 1934 wird ihm die Zulassung zur Kassenarztpraxis entzogen. Etwa ein Jahr lang darf er keine Patienten behandeln und die Familie ist ohne einkommen. Im Anschluss wird die Behandlung teilweise wieder möglich, was auch mit dem zunehmenden Ärztemangel im Deutschen Reich zusammenhängt. Aber auch seinen 2. Vorsitz im Spremberger Ärzteverein muss er niederlegen, sein Radioapparat wird eingezogen und ab 1938 dürfen sich keine NSDAP-Mitglieder mehr von ihm behandeln lassen. Mehrfach marschieren in diesen Jahren SS-Leute vor der Wohnung der Joëls auf.8

Am 15. April 1939 unterschreiben einige mutige Spremberger Bürger, darunter Arbeiter, Pfarrer, Lehrer und Fabrikbesitzer, eine Petition, um Werner Joël und seine Praxis in Spremberg zu halten:

Herr Joël, der seit Jahren hier ansässig ist, erfreut sich einer ungewöhnlichen Beliebtheit. Überall steht er im Rufe eines sehr tüchtigen Arztes. Auch seine Menschenfreundlichkeit wird von allen Seiten gerühmt. Viele Kassenpatienten z.B., für welche die Krankenkasse infolge Aussteuerung die Behandlungskosten nicht mehr übernehmen konnte, hat er vollständig kostenlos bis zur völligen Heilung weiterbehandelt. An den Sorgen seiner Patienten nahm er über seine ärztliche Berufspflicht hinaus weitgehenden Anteil, wie man es selten findet.“9

Kurz vor Kriegsende flüchten Werner und Elisabeth mit ihren elf und acht Jahre alten Söhnen aus Spremberg. In Spremberg kursiert seit dieser Zeit das Gerücht, dass Werner Joël derjenige gewesen sei, der die Sprengung der Brücke zur Langen Straße verhindert haben soll, was Werner aber verneinte.

Gleich nach Kriegsende erreicht sie die Nachricht, dass in Spremberg dringend Hilfe in der medizinischen Versorgung benötigt wird und sie kehren zurück. Werner ist maßgeblich am Wiederaufbau des Krankenhauses in Spremberg beteiligt und wird dort erster Chefarzt. Mit dem Pferdewagen fährt er zwei Mal wöchentlich nach Bad Muskau und Weißwasser, um auch dort Menschen medizinisch zu versorgen. 1948 spendet er Teile seines Gehalts dem Wiederaufbau der Klinik und auch sein privates Instrumentarium stellt er kostenlos zur Verfügung.10

1954 verlassen die Joëls Spremberg und die DDR, weil nun ihren beiden Söhne wegen ihrer Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde im DDR-Regime diskriminiert werden.11

Zehn Tage nach seinem 94. Geburtstag stirbt Werner in Lemgo.12

  1. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Geburtsregister 1851-1901, Werner Joel; vgl. https://www.mappingthelives.org/bio/fde94622-d951-4b14-903f-6157acf7dada (Stand 21.07.2024).
  2. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Geburtsregister 1851-1901, Werner Joel; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955, Walter Joel.
  3. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  4. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  5. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936, Joel-Wendlandt.
  6. Vgl. Archiv der Kreuzkirche, Taufbuch Spremberg Stadt 1933, Seite 212; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Geburtsregister 1851-1901, Werner Joel; vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47; vgl. https://www.mappingthelives.org/bio/fde94622-d951-4b14-903f-6157acf7dada (Stand 21.07.2024).
  7. Vgl. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47; Stadtarchiv Spremberg, Spremberger Adressbuch 1936.
  8. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  9. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  10. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47, vgl. https://krankenhaus-spremberg.de/unser-krankenhaus/geschichte (Stand 15.04.2021).
  11. Vgl. Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung, Seite 47.
  12. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Geburtsregister 1851-1901, Werner Joel.

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Quellenangaben

Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de:

  • Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Geburtsregister 1851-1901, Werner Joel.
  • Sammlung Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955, Walter Joel.
  • Sammlung Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936, Joel-Wendlandt.

Archiv der Kreuzkirche:

  • Taufbuch Spremberg Stadt 1933, Seite 212.

Stadtarchiv Spremberg:

  • Spremberger Adressbuch 1936.

Sekundärliteratur:

  • Jürgen Stein, Zur Erinnerung an Dr. Werner Joël (1900-1994), in: 2000 Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung.

Internetseiten: